Damals im Roten Kakadu

29. November 2005 | Von | Kategorie: Buchmarkt regional

Rolf Bergmann, 1942 in Dresden geboren und von 1973 bis 1997 in Mannheim und Heidelberg zu Hause, bearbeitet in seinem Roman “Damals im Roten Kakadu” den entscheidenden Abschnitt seiner Jugenderinnerungen; Frühjahr und Sommer in Dresden, DDR 1961 kurz vor dem Bau der Mauer.

Hans Brettschneider alias Johnny und seine Clique stehen nicht nur kurz vor dem Abitur sondern auch auf Rock´n Roll im Allgemeinen und Ted Herold im Besonderen. Ihr Idol ist zum einen Stein des Anstoßes bei den Erwachsenen zum anderen Tarnung in der Clique untereinander; steht doch TH-Club sowohl für Technische Hochschule als auch für die Initialien ihres Idols. Das Tanzlokal “Der Rote Kakadu” im Parkhotel auf dem Weißen Hirsch ist ein Treffpunkt der Jugend, die Jazz und Rock’n'Roll hören will. Musik ist mehr als eine Fluchtmöglichkeit, sie liefert die Energie, um der täglichen Bevormundung durch Schule, FDJ, Politik und Elternhaus zu trotzen. Johnny jobt als Aushilfskellner in dem Tanzlokal um seine Finanzen aufzubessern und ist so auch immer auf dem Laufenden in Sachen Jazz und Rock´n Roll. Seine Zukunftspläne schwanken zwischen Journalistikstudium in Leipzig und als Matrose auf einem Kreuzfahrtschiff auswandern nach Brasilien. Dementsprechend kann sich Johnny, wie viele seiner Kumpels, nicht richtig entscheiden zwischen Anpassung und Auflehnung. Allein schon diese Unentschiedenheit ist Auslöser für allerlei Schwierigkeiten in der Schule, mit Eltern, FDJ aber auch mit Freunden, von denen sie nicht wissen, wie linientreu sie einzuschätzen sind. Johnny erkundet das Terrain zaghaft beim anderen Geschlecht, Bruni scheint was Ernsteres werden zu wollen, aber auch hier kann er sich nicht entscheiden; Ingrid und eine junge Reichsbahnerin, die ihm bei einem seiner Ausflüge nach West-Berlin begegnet, wecken sein Interesse. Eine Entscheidung jedoch hält Johnny konsequent durch: Er meldet sich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht freiwillig zur Armee. Ende Juni, am Tag bevor ihnen ihre Abiturszeugnisse ausgehändigt werden, unternimmt Johnny eine Radtour zu seiner Großmutter. Während dieser Zeit erscheinen zu Hause bei seiner Mutter zwei Herren von der Bibliothek, weil er angeblich ein paar Bücher nicht abgegeben habe. Als Johnny dies erfährt, packt er seine Sachen und setzt sich unmittelbar nachdem er sein Zeugnis in Händen hält mit dem Zug nach West-Berlin ab.

Rolf Bergmann im Roten Kakadu in Mannheim Foto: B.WondraNicht umsonst enthält das Buch die Vorbemerkung: Der Satz erfolgt auf Wunsch des Autors in der Rechtschreibung von 1961. Bergmann wählt für seinen Roman nicht nur die Rechtschreibung sondern auch die Sprache der DDR der frühen sechziger Jahre. Ein Glossar mit Begriffen und Abkürzungen, sowie Straßennamen damals und heute erleichtern den Zugang zum Text. Manchmal wünscht man sich der Detailverliebtheit des Autors in die Dresdner Topographie wegen auch noch einen Stadtplan. Was einerseits für sprachliche Authentizität steht, sorgt andererseits nicht immer für ein flüssiges Lesevergnügen. Bürokratischer Bonzenjargon und Cliquensprache sowie z.B. die Wiedergabe eines Belmondo Filmes über mehrere Seiten hinweg und komplette Texte von Ted Herold verschaffen der Handlung der Geschichte nicht unbedingt Schwung. Richtig spannend jedoch wird das Buch gegen Schluss, wenn Johnny ohne Freunde und Familie ganz allein den für ihn alles entscheidenden Entschluss trifft.

Das Buch ist als Band 3 der Autorenedition “Rhein-Neckar-Brücke” im “Verlag der Villa Fledermaus” erschienen. Erinnert sei auch noch an Bergmanns Buch: “Der Mann mit der Plastiktasche” über Ernst Kolb, der als “Bürger Kolb”, zum Mannheimer Original und Mythos wurde.

Rolf Bergmann: Damals im Roten Kakadu. Roman. Verlag der Villa Fledermaus Saarbrücken 2005 ISBN 3-932683-52-8
Rolf Bergmann: Der Mann mit der Plastiktasche. Marsilius Verlag Speyer 2000 ISBN: 3-929242-21-4

(Das Foto zeigt Rolf Bergmann bei einer Lesung im “Roten Kakadu” in Mannheim Oktober 2005 Foto © Bernhard Wondra)

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